Karta-Talks fanden auf der blauen Treppe im Zentrum von Balzers statt. Wir führten Gespräche mit Menschen verschiedenster Hintergründe und Altersgruppen. Dabei ging es um den Bezug der/des Einzelnen zur Landschaft in Balzers, Liechtenstein und darüber hinaus. Wir tasteten uns von ersten Kindheitserinnerungen über Einschätzungen der Gegenwart zu Vorstellungen der Zukunft. In diesem Austausch suchten wir die Vielfalt von Perspektiven und die Hülle an persönlichen und subjektiven Erlebnissen in unserer Landschaft. Die dabei auftauchenden Erinnerungen, Wünsche und Ideen dienten als Grundlage für die Konzeption von öffentlichen Veranstaltungen.
„Dann kam natürlich der Weg in die Schule, vom Züghüsle hier ins Zentrum dazu. Die Gnetschstrasse hier herüber ist damals ein Feldweg gewesen. Damals sind hier viele Häuser gebaut worden und auf dem Schulweg bin ich bei jeder Baustelle eine Weile stehen geblieben und habe zugeschaut. Das war immer faszinierend, wie man gepfählt hat, wie sie gegraben haben – da habe ich die Zeit völlig vergessen.“
Hansjörg Büchel
„Vorher warst du vielleicht in Zürich und kommst aus der Schweiz hierher nach Balzers und es wird geduzt ... Hoi! Das ist dann einfach wieder ganz etwas anderes und du merkst, wie du als Liechtensteiner wieder zurückkommst.
Das war eine rechte Umstellung. Aber es ist eine schöne Umstellung gewesen. Balzers ist wirklich ein Ort, an dem ich in den letzten drei Jahren, in denen wir hier gewesen sind, vieles liebgewonnen habe.“
Caroline Hilti

„Unsere Generation ist wirklich noch in die Kirche gegangen. Wir trafen uns am Samstagabend vor der Kirche, und gingen miteinander in die Kirche. Auf unserem Heimweg war dann auch der ‘Scharmotz’, also damals noch das ‘Gsecht’. Das Gsecht war die erste Jugenddisko in Balzers und dann hat uns das eben schon noch fasziniert: Diese jungen Männer, die jungen Frauen und die Töffle, die dort gestanden sind...
Nach der Kirche sind wir einfach noch etwas in diesem Gsecht oben herumgestanden und haben etwas geschaut was läuft und geht. Hineingetraut haben wir uns aber nicht, wir waren noch zu jung. Wir waren damals etwa sechzehn.“ 
Doris Brunhart
„Ich bin dann recherchieren gegangen und auf spannende Luftaufnahmen von 1927 gestossen. Dort sieht man ganz schön: Zwischen Balzers und Mäls ist damals in diesem Grünbereich wirklich nichts gewesen. Und dann haben sich an dieser Hauptverkehrsachse die Gebäude angefangen traubenförmig anzugliedern – und in diesem ganzen hinteren Bereich hier sind eigentlich alles Obstbäume gewesen, also der Bongert jeder Eigentümerschaft.
Der Strassenraum hat sich nicht nur von Hof zu Hof geöffnet, sondern wirklich auch zum Grünraum. Als wir dieses Projekt angegangen sind haben wir gesagt, wir wollen das eigentlich zurückholen. Wir wollen das Grüne auch in den Vorplatz, in den Hof hineinholen.“
Kristina Marxer
„Ja was haben wir gehabt, halt ein Musikfest jedes Jahr. Das ist im Winkel unten gewesen, bei sKarljürga im Bongert meistens oder im Postbongert hier, jetzt vis à vis von der Bank. Ja was hat man sonst gehabt. Auf den Tanz hat man ja nicht dürfen, nie. Dann ist man halt vor die Wirtschaft gestanden und hat grausam hinaufgeschaut, wie sie herumgetanzt sind. Auf der Post haben sie damals den Saal gehabt und oben die Zimmer, und die Wirtschaft ist so gewesen.“
„Ja schön, schön ist nichts mehr jetzt, seit alles verbaut ist. Früher ist es schöner gewesen. sTidi Luzis dort im Winkel unten wird auch abgebrochen…alles wird abgebrochen und Blöcke gebaut.“
Lena Kaufmann und Ursula Schlegel
„1956 bin ich mit elf Jahren das erste Mal in Vaduz gewesen. Wir haben Zuhause kein Auto gehabt und früher ist man eigentlich nur nach Vaduz gegangen, wenn man musste. Man ging nicht einfach nach Vaduz.
Zum ersten Mal bin ich im Jahre 1956 als Fünftklässler aus Balzers beim Umzug zur 150-Jahre-Feier in Vaduz gewesen. Und das zweite Mal dann im gleichen Jahr zur Aufnahmeprüfung in die Realschule. Damals hat man noch nicht von Chancengleichheit geredet. Das war natürlich ein unhaltbarer Zustand – für uns Balzner ist Vaduz gewesen, ich sage jetzt nicht wie der Kongo aber wie New York oder sonst etwas grossartiges.“
Hans Brunhart
„Und sonst bist du zufrieden damit, was es im Dorf so gibt?
Ich würde sagen nochmal ein Schwimmbad wäre gut (...)
Gibt es Bäche oder so, wo du spielen gehst oder wo man baden geht?
Ja, diesen hier. Beim St. Katharinabrunnen muss man hineingehen und dann gibt es hier Wasser, hier und hier und dann kann man da hinein, wenn es einem nicht zu kalt ist.
Aber nur zum Baden?
Nein, man kann auch wirklich tauchen, das habe ich auch schon probiert. Schwimmen geht auch. Ich bin nämlich auch schon geschwommen.
Also wenn es hier im Zentrum so ein Bächlein gibt. Wenn man da etwas schauen würde, dass man mehr Platz hat und daneben eine Wiese machen würde, wo man sich hinlegen könnte und etwas zum Umziehen, die Badesachen anziehen – dann würde das auch schon reichen?
Ja, das wäre auch genug. Aber es muss einfach mehr Platz geben, weil beim St. Katharinabrunnen gibt es zu wenig Platz. Und einen Glacé-Stand.
Also wenn hier mitten im Dorf der Bach etwas grösser wäre und man dort etwas schwimmen gehen könnte nach der Schule – hast du das Gefühl, du würdest da nach der Schule manchmal gehen, wäre das eine gute Sache?
Ja, dort würde ich gehen.“
Saira Schädler
„Selbstverständlich hat man das als sehr schönes Dorf empfunden. In einer schönen Kindheit mit tollem Umfeld, tollen Bekanntschaften und Freunden – da verbindet man natürlich sehr vieles mit Balzers. Und es ist natürlich auch so, dass ich schon der Meinung bin, dass Balzers doch eine Eigenständigkeit bewahrt hat, und das ist auch auffallend. Das kann jetzt positiv oder negativ gewertet werden – dass diese Verbundenheit mit der Gemeinde doch sehr stark ist. Dass glaube ich auch der Anteil der Balzner, die in eine andere Gemeinde zum Wohnen gehen, der kleinste im ganzen Land ist. Vergleichbar vielleicht mit Triesenberg, Schellenberg oder wahrscheinlich Planken, die auch noch einen starken Zusammenhalt pflegen, einfach schon geographisch. Und so ist sich Balzers auch immer irgendwie treu gewesen und man ist glaube ich in der Vergangenheit selten aus dem Dorf gegangen. Das hat sich in unserer Generation schon verändert und so sind wir dann natürlich auch abwärts gegangen.“
Mathias Vogt
„Was mir in letzter Zeit einfach aufgefallen ist, ist das Bauliche – man baut heute anders. Das sieht man schon: Das Viereckige, man baut mit Ausnützung. Früher sind es halt Häuschen gewesen. Das verändert sich schon.
Ich sage jetzt einmal im Grossen und Ganzen, vom Eindruck her, ist das Dorf schon noch das gleiche.
Alles im Leben ist Fortschritt. Ich sage dazu nur nicht zu lange stehen bleiben. Aber es soll sich immer in humanen Dosen verändern. Ich denke man sollte sich wohl fühlen wo man ist. Man sollte Schritthalten können.“
Bettina Fuchs
„Wir haben Binnenkanäle, die durch das Land gehen. Hier sieht man es ohnehin relativ gut, wie sie schnurgerade durch die Landschaft führen. Das ist für mich kein Bach oder ein Fluss oder etwas, sondern wirklich ein Bauwerk, um Wasser abzuführen.
Ich finde es schade, dass es so übertechnisiert ausgeführt ist. (...) Und wenn du das nur noch zu einem mit dem Lineal gezogenen Kanal verbaust ist halt auch die Vielfalt und der Naturwert dementsprechend gering. Heute könnte man das wesentlich besser machen und sollte das meines Erachtens auch.“
Mathias Seykora
„Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke habe ich immer ein Bild vom Bongert vom Haus meines Nani und Opa im Kopf. Dort ist man zu Familienfesten und Sonntagnachmittagen zusammengekommen. Es war ein Bongert hinter ihrem Haus mit einem alten Gartenhäuschen, in dem der Opa die ganzen Gerätschaften für den Wingert hatte – und man unter Dach war, wenn es im Sommer angefangen hat zu regnen.“
Bettina Eberle-Frommelt
„Das mit der Raumplanung und dem bewussten architektonischen Gestalten liess sich hier im Land politisch nie durchsetzen. Man hatte ja bereits in den Fünfzigerjahren damit angefangen, und damals sah es noch ganz gut aus, auch mit der Alpenplanung. Eine Zonierung gab es noch, aber das war es dann.
Dass man den öffentlichen Raum auch als ein architektonisches Problem ausserhalb der Privatsphäre oder dem eigenen Haus begriffen hätte, das hat hier nie stattgefunden. Und das findet ja bis heute nicht statt, oder nur in ganz rudimentären Ansätzen.“
Hans-Jörg Rheinberger
„Ich habe in den letzten Jahren viel über Dörfer gelesen – man sagt immer es sei im Niedergang begriffen. Ich bin nicht dieser Überzeugung. Es gibt gewisse Mankos oder Rückentwicklungen aber insgesamt finde ich, dass bei uns wirklich ein grosses soziales Kapital da ist. Beispielsweise zeigt sich das daran, dass man bei uns noch allen Hoi sagt, das ist ja an anderen Orte nicht mehr. Und wenn man bei uns auf diese Netzwerke schaut, die es gibt, also Vereine, Nachbarschaft, Freunde – ist das bei uns noch sehr stark vorhanden. Und auch der soziale Kitt, der diese Netzwerke ein bisschen zusammenhalten sollte – also das zwischenmenschliche Vertrauen oder Gleichwertigkeit oder Gegenseitigkeit aber auch Toleranz und Duldung des Fremden. Ich möchte hier nicht idealisieren aber ich finde schon, dass das bei uns noch stark vorhanden ist. Das ist etwas, das man eigentlich pflegen und dem man wieder etwas auf die Sprünge helfen sollte.“
Arthur Brunhart
„Balzers ist etwas wie ein Eidechslein, das eine Kurve macht. Ausser den Hauptverkehrsadern habe ich ein totales Einbahnstrassennetz gemacht, um den Verkehr zu verlangsamen, damit auch Räder fahren können und die Autos nicht mehr so schnell fahren. Alle Häuser und Grundstücke sollten so verbunden sein, dass man dazwischen hinein baut. Ich will nicht mehr, dass man hinaus in die Naturzonen baut, sondern dass man im Zentrum in die Höhe wächst.“
Helena Becker

Die von Helena Becker gezeichnete Karte findet sich hier.
„Ein Platz wo man einfach hingehen und sich hinsetzen kann wäre noch schön. Das gibt es halt nicht wirklich ausser halt beim Pumptrack oder der Schule.
Es gibt schon Mädchen, die gerne Skateboard fahren und auf den Pumptrack gehen aber wir beiden sind eher ruhigere Leute, und wir möchten lieber eher einen ruhigeren Platz wo man sich hinsetzen und reden kann. Nicht so etwas wo überall Kinder herumrennen und mit Rollern herumfahren und man gestört wird – das fehlt mir etwas.
Vielleicht so mit Hecken rundherum. Beim Hallenbad vorne gab es beispielsweise auch einmal Hecken, dort war es schon etwas ruhiger und dann fühlt man sich gleich besser und wohl.“
Haylie Foser und Sarah Hasler
„Ich habe ein paar Notizen gemacht und jene, die mich am meisten angesprochen haben, habe ich dann umgesetzt. Auch mit den alten Bäumen, die man eher pflegen könnte als sie zu fällen – deshalb die alte Eiche auf dem Burghügel. Es ist zwar ein Wimmelbild, aber es ist sehr kondensiert. Ich habe extra ein paar Sachen hervorgehoben und grösser dargestellt, damit man sie auch genauer wahrnimmt. Es geht nicht um eine naturgetreue Darstellung von Balzers.“
Adam Vogt

Die von Adam Vogt gezeichnete Karte findet sich hier.
„Die ersten Krippen sind in Italien entstanden, Franz von Assisi hat eine lebendige Krippe symbolisiert, nachher gab es eigentlich nur in den grossen Herrenhäusern und Schlössern Krippen. Die Krippenfiguren sind eigentlich von ungeübten Bauernbildhauern und Handwerkern geschnitzt worden, weil die im Winter meistens keine Arbeit hatten. Meistens waren das Wanderarbeiter die Sachen restauriert haben, Kirchen und so. Im Winter hatten die nichts zu tun, dann bekamen sie auf Bauernhöfen Essen und Quartier und dafür haben sie Sachen repariert und geschnitzt. Unter anderem haben in Tirol auch viele alte Bauern in der Winterruhe diese Sachen geschnitzt. Darum ist auch die heimatliche Krippe entstanden und die ist völlig legitim. In dieser Umgebung ist das das Empfinden gewesen: Das Kind kommt in einem Stall auf die Welt.“
Roswitha Vogt
„Alles zusammen, weil diese Strassen, was Bettina an diesem Platz gesagt hat: Es kostet unheimlich Geld! Die Strassen kosten Unterhalt, der Tiefbau kostet – dieses Geld könnte man anders investieren. Wieso müssen wir zu hinterst in die Luziensteig hinaus noch so eine mords Strasse haben? Darum habe ich alles zusammengenommen und verdichtet. Im Prinzip das was man in Fläsch jetzt macht. Fläsch ist für mich in dieser Hinsicht ein Vorbild.“
Ewald Frick

Die von Ewald Frick gezeichnete Karte findet sich hier
„Das ist eigentlich die Idee: Das Reglement Fürstenstrasse geht von hier, vom Anwesen Hans Brunhart bis praktisch zur Hauptstrasse, zum Höfle hinauf. Zwei Muster von so grossen Häusern kann man schon anschauen, das sind die, die der ITW auf der südlichen Seite der Fürstenstrasse gebaut hat. Das ist das Kaliber, das man sich hier eigentlich vorstellt. Und solche Kaliber – also drei voll ausgebaute Stockwerke und ein Erdgeschoss – sind auch hier im Dreieck vorgesehen. Dieses Dreieck gehört der Gemeinde Balzers, und dort wären auch Häuser in dieser Grössenordnung vorgesehen. Unten wäre dann Gewerbe und oben drinnen Wohnräume.
(…) Jetzt ist es halt schwierig eine Flaniermeile zu planen und zu machen auf Boden, der einem nicht gehört – und darum ist diese Idee ein Stück weit auch gescheitert, schlicht und einfach. Nun sind wir dabei, das Reglement zu überarbeiten und schauen, wie wir da und dort Anpassungen machen könnten, aber natürlich auch was wir aus diesem Reglement heraus selbst realisieren können.“
Hansjörg Büchel